Europäische Atomgemeinschaft

Europäische Atomgemeinschaft
Euratom

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Europäische Atomgemeinschaft,
 
Abkürzung EURATOM, Euratom, zusammen mit der EWG durch die Römischen Verträge vom 25. 3. 1957 (am 1. 1. 1958 in Kraft getreten) gegründete supranationale Organisation zur friedlichen Nutzung der Kernenergie mit eigener Rechtspersönlichkeit; Sitz in Brüssel; seit 1967 organschaftlich verbunden mit EWG und EGKS. Die Aufgaben werden seit der Fusion der Organe der drei Europäischen Gemeinschaften von Europäisches Parlament, Rat, Europäische Kommission und Europäischer Gerichtshof wahrgenommen; die Finanzierung der Aktivitäten erfolgt seit 1971 im Wesentlichen aus Mitteln des Gesamthaushalts der EG. Von den ursprünglichen eigenen Organen existiert nur noch die EURATOM-Versorgungsagentur, die über ein Bezugsrecht für die in den Mitgliedstaaten erzeugten Erze, Ausgangsstoffe und besonderen spaltbaren Stoffe sowie über das ausschließliche Recht verfügt, Verträge über die Lieferung dieser Materialien aus Ländern innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft zu schließen. Alle im Zuge der Erweiterung der EU beigetretenen Staaten sind auch Mitglieder der EURATOM.
 
Vor dem Hintergrund steigenden Energiebedarfs und einer in den 50er-Jahren befürchteten Energielücke wurden als wesentliche Aufgaben für die EURATOM formuliert: Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Kernenergienutzung und Kerntechnik in den Mitgliedländern, Verbreitung technischer Kenntnisse, Sicherstellung der Versorgung der Gemeinschaft mit Kernbrennstoffen, Gewährleistung der Sicherheit der entsprechenden Anlagen und Sicherheitskontrollen gegen die missbräuchliche Nutzung von spaltbaren Stoffen für den Bau von Kernwaffen. Zur Überwachung der Sicherheit kann die Europäische Kommission u. a. Inspektoren in die Mitgliedstaaten entsenden. Unter dem Eindruck des Reaktorunglücks von Tschernobyl (1986) wurden die Sicherheitsnormen verschärft und die Sicherheitsvorkehrungen ausgebaut. Seit 1991 wird versucht, die osteuropäischen Länder, v. a. die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, für eine engere Zusammenarbeit im Bereich nukleare Sicherheit zu gewinnen. Die Forderung des Europäischen Parlaments, die Entsorgung radioaktiver Abfälle gemeinschaftlich zu regeln, konnte bisher noch nicht durchgesetzt werden.
 
Zur Förderung von Forschungsprogrammen kann die Europäische Kommission u. a. im Rahmen von Forschungsverträgen finanzielle Hilfen gewähren (jedoch keine Subventionen) oder die Mitgliedstaaten zu gemeinsamen Finanzierungen veranlassen. Auf der Grundlage des EURATOM-Vertrages stellte die Gemeinschaft ein eigenes Forschungs- und Ausbildungsprogramm auf, zu dessen Durchführung u. a. die Gemeinsame Kernforschungsstelle (GFS) mit vier Kernforschungszentren in Ispra (Italien), Geel (Belgien), Petten (Niederlande) und Karlsruhe besteht; die GFS ist überdies Trägerin aller Kernforschungsvorhaben (v. a. in den Bereichen kontrollierte Kernfusion, Strahlenschutz, Reaktorbau und -sicherheit), so des Kernfusionsprojekts JET und des Forschungsprogramms Next European Tonus (NET). Der EURATOM-Vertrag bestimmt ferner, dass besondere spaltbare Stoffe, die von einem Mitgliedstaat, einer Person oder einem Unternehmen erzeugt oder eingeführt werden und der Sicherheitsüberwachung unterliegen, Eigentum der Gemeinschaft sind.
 
 
H. Kramer: Nuklearpolitik in Westeuropa u. die Forschungspolitik der Euratom (1976);
 P. Weilemann: Die Anfänge der Euratom (1983);
 P. Ladwig: EURATOM u. der Notfallschutz bei Atomunfällen (1995).

Universal-Lexikon. 2012.

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